„Ich habe meine Depression akzeptiert und muss mich immer wieder neu drauf vorbereiten“ – Jakob Drachenberg (Teil 2)
Im zweiten Teil des Gesprächs mit Jakob Drachenberg spricht der ehemalige Wasserballer, Psychologe und führende Experte für Stresskompetenz offen über seine vier depressiven Episoden, den Weg durch Psychotherapie und Klinikaufenthalte – und darüber, wie er gelernt hat, die Krankheit als Teil seines Lebens zu akzeptieren, ohne sich über sie zu definieren.
Jakob beschreibt, wie schwer es war zu begreifen, dass Depression nichts mit „Schwäche“ zu tun hat, sondern eine klar diagnostizierbare Erkrankung, die auch leistungsstarke Menschen trifft. Der Leistungssport mit seinen Schwarz-Weiß-Denkmustern – Sieg oder Niederlage, Erfolg oder Versagen – habe einige seiner destruktiven Muster verstärkt. Gleichzeitig hat Wasserball ihm Eigenschaften geschenkt, die ihm später halfen: Disziplin, Teamgeist, Willenskraft und die Fähigkeit, durch schwierige Phasen zu gehen.
Besonders eindrücklich schildert er, wie Depression oft erst Jahre später entsteht und wie wichtig es ist, Warnsignale ernst zu nehmen. Lange bevor er professionelle Hilfe suchte, hatte sein Körper längst reagiert: Übermüdung, innere Unruhe, Perfektionismus, Grübeln, Antriebslosigkeit. Erst der Einbruch zwang ihn dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und seine Stressmuster zu verstehen.
Heute sieht Jakob seine Erkrankung wie Diabetes oder Migräne: etwas, das regelmäßig Aufmerksamkeit und Vorbereitung braucht, aber nicht verhindert, ein erfülltes Leben zu führen. Entscheidend sei, Stress gesund zu managen – nicht durch Vermeidung, sondern durch bewusste Regulation. Spannung und Entspannung seien wie zwei Muskelgruppen: Wenn man nur „anspannt“, bricht das System irgendwann zusammen.
Er erklärt, warum mentale Gesundheit im Leistungssport und in der Wirtschaft immer wichtiger wird und weshalb Unternehmen inzwischen aktiv in Stressprävention investieren. Denn Mitarbeitende, die gut mit Stress umgehen können, sind leistungsfähiger, klarer in Entscheidungen und weniger krank. Auch junge Generationen fordern inzwischen explizit Räume für Reflexion, persönliche Entwicklung und mentale Gesundheit.
Jakob berichtet außerdem von der Gründung der Drachenberg Akademie, seiner Vision, Stresskompetenz für alle zugänglich zu machen, und der TÜV-zertifizierten Ausbildung zum Stresscoach, die Menschen befähigt, andere professionell in mentaler Gesundheit zu begleiten.
Diese Episode ist ein ehrliches, mutiges und inspirierendes Gespräch, das zeigt: mentale Gesundheit ist kein Tabuthema – und die Fähigkeit, mit Stress gesund umzugehen, ist eine erlernbare Kompetenz, die sowohl im Sport als auch im Alltag massiv unterschätzt wird.